Die Veränderung limitierender
Glaubenssätze auf der Rose der Erkenntnis

Lektion 2: Die Rose der Erkenntnis – Unser neues Konzept der logischen Ebenen

Die Abbildung rechts zeigt dir unser Modell. Wir haben schon seit Jahren vieles probiert und geforscht und mit den verschiedensten grafischen Darstellungen experimentiert. Eines Tages entdeckten wir in der Kathedrale von Chartres (Frankreich) ein in den Fußboden eingearbeitetes Labyrinth – und wir sahen sofort: Das ist es! Was wir dann noch darüber lasen, bestärkte unsere Entscheidung, die Rose der Erkenntnis zu kreieren.

Im Labyrinth von Chartres steckt das uralte Wissen über die Hürden, die wir Menschen auf dem Weg in unser Innerstes zu bewältigen haben. Wenn wir fähig sind, das Labyrinth zu durchqueren, kommen wir in der Mitte in einer Rosette mit sechs um das Zentrum gruppierten Blättern an. Diese Rosette haben wir als Symbolfigur für unsere logischen Ebenen, für unsere Rose der Erkenntnis gewählt. Sie liegt als begehbarer Bodenanker im unserem Seminarzentrum aus, während wir darauf die Methodik demonstrieren oder unsere Teilnehmer üben.

Bevor wir eine ausführliche Intervention auf der Rose der Erkenntnis darstellen, erläutern und begründen wir unsere Veränderungen in dieser Arbeit gegenüber dem bisherigen Standardmodell. Zunächst einmal unterscheiden wir zwei große Bereiche der Veränderung: Den Bereich des TUNS – oder Wirkens – und den des SEINS.

Wenn TUN und SEIN in Konflikt geraten

TUN drückt aus, wie der Mensch sich durch Handeln zum Ausdruck bringt. SEIN hingegen ist ein Zustand, der das Innere des Menschen beschreibt, das, was ihn leitet, wie er sich selbst sieht, und wie er gesehen werden möchte und was seiner tiefsten Sehnsucht entspricht.

Der Mensch gerät aufgrund der Dualität von TUN und SEIN immer wieder in Not. Unsere gesellschaftlichen oder gesetzlichen Regeln setzen unserem Handeln Grenzen und gewährleisten unsere Freiheit. Darüber hinaus tragen Menschen eigene Regeln in sich. Und der begrenzende Teil dieser Glaubenssätze (siehe Seite 250) schränkt ihre Freiheit und ihre Wahlmöglichkeiten ein. Sie sehnen sich so sehr nach X, doch X gehört sich nicht, ist ihnen innerlich verboten oder zu schwierig oder jemand ist nicht einverstanden – und deshalb erschaffen sie Y: TUN und SEIN geraten in Konflikt miteinander. Damit der Mensch dies erträgt, lenkt er sich selbst und andere vom SEIN ab, denn da klopft im Inneren etwas an, das gehört werden will, das X will. Deshalb fixieren sich viele Menschen so sehr aufs TUN, dass ihnen nicht bewusst wird, was sie eigentlich genau antreibt. Wie viele mögen darunter sein, die TUN, um sich davor zu schützen, sich mit ihrem SEIN zu beschäftigen? Dann müssten sie ihr Inneres kennenlernen, ihren Fokus auf Facetten ihrer Identität, ihre Werte und die Frage nach dem Sinn richten. Sie würden den stiftenden Glaubenssatz (siehe Seite 261 f.) für ihr TUN ermitteln – und damit den wichtigsten Schritt zu seiner Veränderung gehen: Sie wirken immer mehr im SEIN.

Der stiftende Glaubenssatz als Ursprung der Limitation

Im stiftenden Glaubenssatz offenbaren sich die Angst oder die inneren Verbote seines Trägers. Kehrt man ihn in sein Gegenteil um, zeigt sich seine tiefste Sehnsucht. Wenn dies herausgearbeitet wird, fließen mitunter Tränen. Doch wird gleichzeitig der Weg für eine essentielle Veränderung geebnet. Das ist das Ergebnis der Arbeit auf unserer Rose der Erkenntnis.

Ihre Blütenblätter stehen nicht, wie im Dilt’schen Modell, für hierarchisch organisierte Ebenen, sondern für Bereiche, die in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen. Der Klient kann zu jeder Zeit jedes Blatt sehen und die Bezüge in dem Veränderungsprozess erkennen. Durch die Anordnung in gleich große, kreisförmig angeordnete Blütenblätter haben wir die Hierarchie der logischen Ebenen nach Robert Dilts aufgehoben. Das kommt unserer Auffassung nach einer systemischen Betrachtung näher.

Im Bereich des TUNS finden die Ebenen Umgebung, Handeln und Fähigkeiten/Fertigkeiten auf den drei Blättern auf der rechten Seite unserer Rose ihren Platz. Im Bereich SEIN belegen die Ebenen Werte, Facetten der Identität und Spiritualität die drei Blätter auf der linken Seite.

Die Glaubenssätze stehen im Zentrum und verbinden beide Bereiche miteinander. Wir denken, dass es eine eigene Kategorie der Glaubenssätze, wie sie im Dilt’schen Modell beschrieben ist, nicht gibt. Vielmehr hat der Mensch Glaubenssätze entwickelt

  • über die Umgebung,
  • über die Fähigkeiten / Fertigkeiten,
  • über das Handeln,
  • über die den vorgenannten Kategorien zugrunde liegenden Werte, „ über Facetten der Identität und
  • über die Spiritualität.

Glaubenssätze als Veränderungsmotoren

Der Ausgangspunkt jeder Veränderungsarbeit ist in unserem Modell deshalb das Zentrum unserer Rose der Erkenntnis – die Glaubenssätze. Will ein Mensch eine Veränderung erreichen, lauten die Ausgangsfragen: „Was willst du verändern?“ „Was denkst du über die Veränderung?“ Aus der Antwort wird der hinter dem Veränderungswunsch liegende Glaubenssatz ermittelt. Dieser weist auf den Bereich (das Blatt), auf dem die Veränderung realisiert werden soll.

Die Ebene Fähigkeiten aus dem klassischen Modell findet sich bei uns auf dem Blüten- blatt mit der Bezeichnung Fähigkeiten / Fertigkeiten wieder. Dafür haben wir uns um der Genauigkeit willen entschieden: In der Umgangssprache werden die Begriffe mitunter synonym gebraucht. In den psychologischen Wissenschaften bezeichnen sie hingegen zwei völlig unterschiedliche Ressourcen des Menschen.

Eine Fähigkeit ist sein Potenzial. Alle angeborenen und entwickelten psychischen Bedingungen für das Erlangen einer Leistung sind Fähigkeiten. Fertigkeiten hingegen sind aufgabenbezogene Aktivitäten, die der Mensch erlernt und eingeübt hat, sodass er sie souverän beherrscht. Fertigkeiten sind also das, was der Mensch aus seinen Fähigkeiten macht (Kirchhöfer, 2004, S. 61).

Beispielsweise ist jeder Mensch mit zehn Fingern an den Händen und zwei gesunden Augen fähig, die Tasten eines Klaviers anzuschlagen und Noten auf einem Blatt Papier zu sehen. Ob er ein wenig herumklimpert oder ob er ein vom Publikum vergötterter Pianoforte wird wie Franz Liszt oder Lang Lang, hängt von seinen Fertigkeiten ab. Die sind Ergebnis von Training.

Verhalten in den logischen Ebenen von Robert Dilts haben wir – ebenfalls aus Gründen der Genauigkeit – durch Handeln ersetzt. Zwar wird Verhalten im Sprachgebrauch oft mit Handeln gleichgesetzt. Doch ist mit diesem Wort in der Soziologie und in der Psychologie die Summe aller Reaktionsweisen des Lebewesens auf Reize in seiner Umgebung gemeint. Dazu gehören alle wahrnehmbaren und daher auch mit den Sinnen oder mit technischen Hilfsmitteln erfassbaren Veränderungen, wie Bewegungen, Stellungen, Körperhaltungen eines Menschen oder Tieres, Mundbewegungen, Blinzeln mit den Augen oder Lippenbewegungen.

Fehlannahmen über das NLP

Ein Verhalten, mit dem der Mensch einen Sinn verbindet, wird hingegen als Handeln bezeichnet. Verhalten kann willkürlich gesteuert sein, während Handlung eine Sinndimension beinhaltet, ein zielgerichtetes, absichtsvolles und subjektiv sinnvolles Tun (auch dann, wenn der Sinn unbewusst ist). Handeln ist demzufolge immer motiviert, nicht aber Verhalten (Kirchhöfer, 2004, S. 40).

Und das macht aus unserer Sicht einen großen Unterschied im Hinblick auf die Nutzung dieser beiden Begriffe für die Arbeit mit NLP, insbesondere für die Frage, was denn auf den logischen Ebenen der Veränderung verändert werden soll. Handlung ist veränderbar, Verhalten nicht unbedingt. Und Veränderung setzt einen Veränderungswillen voraus, also einen Sinn.

Unsere nächste Veränderung betrifft den Begriff der Identität. Einige der berühmtesten Vertreter des NLP und deren Schüler suggerieren, sie würden die Identität eines Menschen verändern. Die Identität als hierarchische Einheit innerhalb eines Modells, das logische Ebenen der Veränderung heißt, suggeriert diese mächtige Option ja auch. In einer Vorankündigung zu einer Fernsehreportage über Coaching schrieb der Autor beispielsweise, NLP programmiere das Gehirn um (de Haan, 2015). Das ist nicht nur vollkommen falsch, sondern klingt darüber hinaus in den Ohren selbstbestimmter Menschen ausgesprochen bedrohlich. Wahr ist vielmehr, dass der Mensch selbst, wenn er es möchte, seinem Denken eine neue Richtung geben kann und dabei neue neuronale Verknüpfungen im Gehirn kreiert. Dabei kann die NLP-Methodik helfen – und nicht die Identität verändern.

Denn die Identität gibt die Antwort auf die Frage, wer man selbst oder wer jemand anderer sei (Keupp, 2000). Ein Mensch ist nach unserer Überzeugung eine einzigartige Individualität und trägt einen unveränderlichen Kern der Identität in sich. Mitunter ist er sich dessen wenig bewusst. Und je stärker er sich abhängig von den Zuschreibungen anderer Menschen fühlt, desto weniger weiß das Individuum um seine Einzigartigkeit.

Wir haben es daher in unserem Modell nicht mit der Identität an sich, sondern mit Glaubenssätzen über Facetten der Identität zu tun. Die Identität beschreibt die Gesamtheit der Eigenheiten eines Individuums, also seine Persönlichkeit. Facetten der Identität sind hingegen Persönlichkeitsanteile. Virginia Satir nannte sie „unsere vielen Gesichter“. In schamanischen Ritualen wird die Metapher einer geschlossenen Lotusblüte verwandt, deren Blätter sich um den Seelenkern legen. Wir nutzen auch gern die Metapher unsere vielen Masken, die wir – oft unbewusst – aufsetzen und auch wieder abnehmen dürfen. Glaubenssätze über diese Facetten der Identität sind unsere Bewertungen dieser Persönlichkeitsanteile. Menschen neigen dazu, die verschiedenen Teile als „positiv“ oder „negativ“ zu bewerten. So werden z. B. der „innere Richter“, die „Versagerin“ oder das „innere Kind“ häufig als negative Anteile betrachtet, während „Abenteurer“, „Schöngeist“ oder „Forscher“ positiv wahrgenommen werden. Doch all die verschiedenen Seiten und Anteile, ob wir sie nun bewundern oder ablehnen, gehören zu uns, sind Facetten unserer Identität. Wenn wir Teile unseres Selbst ablehnen, dann ist das so, als würden wir uns selbst Gliedmaßen amputieren. An der Integration dieser Facetten der Identität kann in unserem Modell die Veränderungsarbeit ansetzen – nicht an der Identität an sich.

 

» Lektion 1: Die logischen Ebenen der Veränderung nach Robert Dilts

» Lektion 2: Die Rose der Erkenntnis – Unser neues Konzept der logischen Ebenen

» Lektion 3: Demo – Intervention mit einer Klinikärztin

» Lektion 4: Demo – Intervention mit einer HIV-positiven Frau

» Lektion 5: Die Intervention in Kurzform

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