1. Das Märchen von der kleinen Distel, die darum kämpfte, JEMAND zu sein
2. Die Abenteuer des neugierigen Regentropens
Im Kapitel 5, in dem du nun angekommen bist, geht es um „Die Macht der Sprache“. Du hast dich mit den Repräsentationssystemen beschäftigt, mit dem Metamodell ein ausgefeiltes Fragesystem kennengelernt und lernst jetzt mit dem Milton-Modell die Hypnogrammatik Milton H. Ericksons. Auf Seite 164 haben wir dir zwei therapeutische Metapherngeschichten im Stile dieser Grammatik versprochen. Du kannst diese wie Geschichten einfach genießen und sie auf dich wirken lassen. Du kannst mithilfe der Geschichten auch deine Fähigkeit trainieren, selbst therapeutische Metaphern zu kreieren, wenn du zuvor das Kapitel 5.3 „Die Grammatik hypnotischer Sprache: das Milton-Modell“ (ab Seite 153) studiert hast. Damit du beides tun kannst – die Geschichte genießen und daran lernen, geben wir dir im Folgenden einige Informationen zum Fall, während wir die Geschichte als PDF-Datei zur Verfügung stellen. Du kannst sie also ausdrucken, selbst lesen oder auch anderen vorlesen.
Hinweis: Trance-Geschichten, also hypnogrammatisch formulierte Texte, sprechen das Unbewusste an; sie folgen keiner offiziellen grammatischen Logik, was dazu führt, dass dir einige Sätze fehlerhaft erscheinen mögen, wenn du sie mit deinem logischen Verstand liest. Überhaupt folgen sie nicht der Logik des Verstandes. Deshalb sollte der bei ihrer Lektüre am besten mal kurz Pause machen 🙂

Teste beide Geschichten hinsichtlich des Einsatzes der Kriterien für eine therapeutische Metapher (Seite 163 f. im Buch). Es ist wichtig, dass du dies erst machst, nachdem du die Geschichten gelesen und auf dich hast wirken lassen. Sonst nimmst du ihnen ihren Zauber.
Das Märchen von der kleinen Distel,
die darum kämpfte, JEMAND zu sein
Der Fall: Die Pflegemutter eines 5-jährigen verhaltensauffälligen Jungen suchte Hilfe im Familiencoaching. Sie führte die für sie nur sehr schwer auszuhaltenden Verhaltensauffälligkeiten, körperlichen und verbalen Gewaltausbrüche ihres Pflegekindes darauf zurück, dass sie als Mutter versagt hätte. Was sie noch nicht erkennen konnte: Das Kind testete gewissermaßen die Stabilität der Beziehung und kämpfte um seine Identität. Das ergab sich für mich aus der Biografie des Jungen, den traumatisierenden Erlebnissen, die er erlitten hatte, bevor es in diese Familie kam.
Das Ziel: Die Mutter sollte auf einer tiefen, unbewussten Ebene den Wesenskern ihres Pflegekindes und damit seine Verhaltensauffälligkeiten verstehen, also nach der „positiven Absicht“ des Jungen suchen. Würde dies gelingen, könnte die Mutter alternative Reaktionen zur Lösung der Probleme ausprobieren.
Begleitende Interventionen u. a.: Suche nach der positiven Absicht mit Hilfe der Wahrnehmungspositionen (Seite 121 im Buch und hier), Submodalitätenverschiebung (entsprechend der Übungen ab Seite 99 im Buch), Ankern auf der Insel des Seins (Seite 189 und hier).
Das Ergebnis: Die Klientin fand einen neuen Zugang zu ihrem Pflegekind, das heute, im Alter von 18 Jahren, ein erfreulich unangepasster, doch kooperativer junger Mann ist. Sie las die Geschichte auch in der Familie vor. Die Folge: Wenn der Junge in der Folgezeit immer mal wieder „ausflippte“, reichte oft schon der Hinweis: „Achte auf deine Stacheln, kleine Distel“, verbunden mit einem Augenzwinkern, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Damit war die Metapher für den Jungen gleichsam ein Anker (siehe Kapitel 6 im Buch – „Pawlows Entdeckung nutzen: Ankern“, Seite 175 ff.).
Das Märchen: Von der kleinen Distel, die darum kämpfte, JEMAND zu sein
Die Abenteuer des neugierigen Regentropfens
Das zweite Beispiel für eine therapeutische Metapher nach der Hypnogrammatik des Milton-Modells ist das Märchen „Die Abenteuer des neugierigen Regentropfens“.
Der Fall: Eine 40-jährige weibliche Führungskraft nimmt in einer tiefen Lebenskrise Coaching in Anspruch. Ihre Frage: Ist das, was ich professionell tue, das, was ich wirklich will? Diese Frage kann sie in dem Rahmen, in dem sie sich täglich bewegt, handelt und denkt, nicht beantworten – sonst hätte sie ihre Probleme längst selbst gelöst.
Das Ziel: Finden der tiefsten Sehnsucht. Tun und Sein in Übereinstimmung bringen – Wirken im Sein.
Begleitende Interventionen u. a.: Insel des Seins (Seite 189 im Buch und hier), Glaubenssatzarbeit auf der Rose der Erkenntnis (Seite 237 ff im Buch), Zielearbeit (Seite 193 ff.)
Das Ergebnis: Die Klientin wagte es, alles Bekannte und Vertraute infrage zu stellen, ihre beruflichen Weichen völlig neu auszurichten und ihrer tiefsten Sehnsucht zu folgen. Sie übt heute einen Beruf aus, in dem sie das, was sie gelernt hat, auf eine neue Art einsetzen kann – und ist dabei selbstbestimmt und glücklich.
Das Märchen: Die Abenteuer des neugierigen Regentropfens



