Mit einer Unverschämtheit in die Räder greifen:
Wie provokatives Coaching funktioniert

on 13. Februar 2024 Coach, NLP Ausbildung, Systemischer Coach with 0 comments
Provokatives Coaching

Jemanden „auf die Palme bringen“ – jedoch nicht böse, sondern in liebevoller Zuwendung: Das ist der Provokative Ansatz. Provokatives Coaching bewirkt, exzellenten Rapport vorausgesetzt, eine sofortige Musterunterbrechung beim Klienten. Nach einem Moment der Schnappatmung setzt die Erkenntnis ein. Erlebe bei uns die dahinter stehende Idee und trainiere das Vorgehen. 26. – 28. April in Weimar.

Jeder weiß, was eine Provokation ist: 

Hänschen findet Mamas harmonisches Getue gerade blöd und schmiert genüsslich seine fettigen Hände an der weißen Tischdecke ab, gleich neben dem Korb mit den duftenden Brötchen. Mama ist furchtbar enttäuscht, die Stimmung beim Sonntagmorgen-Frühstück für die ganze Familie nachhaltig gestört. 

Aktivistinnen von Frauenrechtsgruppen wie Pussy Riot protestieren im öffentlichen Raum barbusig gegen frauenfeindliche Politik, Sextourismus und Zuhälterei. Schon ihr Name ist eine Provokation: „Pussy“ als Bezeichnung für die weiblichen Genitalien zählt zu den derben Wörtern der englischen Sprache und wird hier verbunden mit „Krawall“.

Frank Farrelly und der Provokative Ansatz

Frank Farelly

Frank Farrelly (*26.8.1931 – † 10.2.2013), Begründer der Provokativen Therapie

Das alles ist Provokation, also eine Kommunikation, bei der man einen anderen kräftig vors Schienbein tritt. Der Provokateur ist zufrieden, der Provozierte verärgert. Provokation ist also böse. Oder?

Nicht, wenn sie auf dem Modell von Frank Farrelly (*26.8.1931 – †10.2.2013) beruht. Die Methode dieses großartigen Begründers und Entwicklers der Provokativen Therapie zielt darauf ab, begrenzende Glaubenssätze zu erschüttern. Bevor wir näher theoretisch auf das Thema eingehen, hier zwei praktische Beispiele:

Carolin meint, sie sei eine Rabenmutter. Sie komme mit dem Gefühl nicht zurecht, dass ihre 13jährige pubertäre Tochter sich immer mehr vom Familienleben zurückziehe. Das berichtet sie in einem NLP-Seminar beim Thema „Reframing“. Dessen Leiter lächelt, bestätigt Carolins Worte und wirft ihr noch einige Dinge mehr an den Kopf: „Wenn du deine Tochter lieben würdest, dann …“ würde Carolin dies tun und jenes. „Aber so eine Rabenmutter wie du interessiert sich ja nur für sich selbst. Armes Mädchen, deine Tochter!“

Nach zwei Minuten reicht es Carolin; sie sagt erregt, dass sie eine gute Mutter ist und ihr Kind liebt. Und dass das Mädchen vollkommen in Ordnung ist, nur jetzt, in der Pubertät, gerade in einer schwierigen Phase, irritiert von dem, was in ihrem Körper vorgeht und von ihren neuartigen Gefühlen Jungen gegenüber. Gleich nach dem Seminar, so Carolin, werde sie mit ihrer Tochter in deren Lieblingspizzeria gehen, Spaß mit ihr haben und sie einfach so sein lassen, wie sie gerade ist. Wenn sie erzählen will, darf sie, wenn nicht, wird sie nicht mehr drängeln. Keine überzogene Kritik mehr an ihrer Tochter, kein ‚mach dies‘ und ‚lass das‘. 

Der Seminarleiter lächelt, nickt und sagt sanft: „Hat schon gewirkt, hm?“

In einem Teamentwicklungstraining sagt eine Führungskraft: „Das sind ja alles schöne Theorien, und, wie sie das sagen, klingt das ja alles ganz wunderbar. Aber die Praxis sieht doch ganz anders aus. Die Mitarbeiter sind so stur, die muss man so lange triezen, bis sie funktionieren – sonst können sie deren Arbeit gleich selbst machen.“ Das schelmische Lächeln des Seminarleiters, wie eben bei Carolin, dazu die Worte: „Interessante Erfahrung. In den meisten Unternehmen sind die Mitarbeiter fair, motiviert und engagiert. Sie wollen die Firma auf Erfolgskurs bringen und geben dafür alles. Nun, und bei ihnen ist das anders. Es gibt eben erfolgreiche Unternehmen mit emotional intelligenten Managern – und dann gibt es sie (Fingerzeig auf ihn). Wirklich blöd.“ Schnappatmung beim Teilnehmer. Der Seminarleiter lächelt weiter freundlich, nickt hypnotisch. Und dann die Wende:

„Hören sie mal“, bricht es aus der Führungskraft hervor, „wir hatten eine wirklich schwere Zeit mit der ganzen Umstrukturierung! Jeden Tag was Neues! Eineinhalb Jahre lang! Das ging allen ganz schön an die Substanz. Ich habe sehr gute Mitarbeiter!“ 

Der Seminarleiter, nickend: „Und sie sind auch ein guter Chef, oder? Sonst säßen sie nicht hier. Was möchten sie ändern?“  

„Wenn wir in der Führungsriege jetzt noch lernen“, sagt der Teilnehmer, „das Team wieder gut zusammen zu schweißen, mehr Optimismus auszustrahlen – dann wird auch das Klima bald wieder gut!“

„Okay“, bestätigt der Seminarleiter, der die ganze Zeit tiefen Rapport zu diesem kritischen Teilnehmer und zur ganzen Gruppe aufrechterhalten hat, „fangen wir also an?“

Mit einer kurzen, gezielten Provokation in die Räder greifen und die Richtung des Denkens ändern – das war das Thema Frank Farrellys. Anwender des provokativen Stils provozieren ihre Klient*innen mit warmem, offenem Herzen und ohne Groll – sie wollen nicht ärgern, nicht beleidigen, sondern die Stolpersteine beiseite räumen, mit denen Menschen sich das Leben unnötig schwermachen. Provokation in diesem Sinne ist ein im Wortsinn un-verschämtes Vorgehen: nicht etwa frech und beleidigend, sondern ohne hinderliche Scham. Der provokative Coach oder Therapeut überschreitet Grenzen, es scheint, als beleidige er seine Klienten aufs äußerste, indem er unerhörte Aussagen trifft: „Es gibt eben erfolgreiche Unternehmen mit emotional intelligenten Managern – und dann gibt es sie. Wirklich blöd.“ Doch: Da ist mehr dahinter.

Provokative Therapie arbeitet radikal mit der Annahme, dass der Mensch für sein Verhalten und Handeln verantwortlich ist, und dass er die Wahl hat, es zu verändern. Allerdings braucht es eine Zeit, bis er daran glaubt, dass dies so ist: Seine Glaubenssätze hindern ihn daran. Farrelly erklärt das am Beispiel seiner psychiatrischen Patienten im Mental Hospital in Madison im US-Bundesstatt Wisconsin, wo er viele Jahre tätig war und die Wirkung der provokativen Therapie erforschte. Was er entdeckt hat, gilt durchaus auch für psychisch gesunde Menschen, wenn sie ihre Glaubenssätze für die Wahrheit halten. Sie argumentierten nach einer gewissen Struktur:

(1) Ich funktioniere nicht

(2) weil

 (3) Ich es nicht kann.

 (4) Ich es nicht will.

Für (1) will der Patient vor sich selbst einen Grund (2) nennen, bei dem er möglichst gut dasteht (= nichts dafür kann). Dieses Ansinnen führt zwangsläufig zu (3): Ich kann nicht („Ah, Deine kleine Axt tat es für dich“, provozierte Farrelly im Therapiegespräch mit einen geistesgestörten Mörder (aus seinem Buch „Provokative Therapie, 2005, S. 53). 

Eine Chance auf Veränderung setzt jedoch die Übernahme von Verantwortung voraus. Die Aufgabe des Therapeuten besteht also darin, den Patienten dazu zu bringen, zunächst einmal (4) anzuerkennen: Ich will (wollte) nicht. Danach, und erst danach, kann er eine neue Wahl treffen. 

Der provokative Therapeut geht also stringent von der Annahme aus, dass der Patient nicht will. Um ihn zu provozieren, stimmt er humorvoll zu, dass der Patient ein armes Würstchen ist, das wirklich nicht anders kann, und für den es genau deshalb auch gar keine Chance zur Veränderung gibt. Ziel ist unter anderem, dass der Patient sich wehrt, dass er

  • sich gegenüber den scheinbaren Beleidigungen des Therapeuten behauptet,
  • seinen Selbstwert sichert und positive Botschaften über sich selbst sendet,
  • seine psychosoziale Realität überprüft: Denn wenn der Mensch an seinem Bild von sich selbst festhält, bei seinen Glaubenssätzen bleibt – wenn er einfach alles weiter so macht wie bisher: Dann wird er nur mehr desselben bekommen.

Wenn es jedoch gelingt, dass der Patient einräumt, dass er nicht funktioniert(e), weil er nicht will bzw. wollte (4), ist ein wichtiges Therapieziel erreicht: Er übernimmt die Verantwortung; nun kann er entscheiden, ob er etwas verändern oder weiterhin nur mehr vom selben möchte. 

Dies hat Frank Farrelly zunächst an psychisch kranken Menschen erforscht und erprobt. Wenn man untersuchen möchte, wie Menschen ihre Probleme konstruieren und aufrechterhalten, kann es von Vorteil sein, diese Strukturen in Extremfällen zu beobachten und daraus Ableitungen für Coaching und Training zu treffen. Denn tatsächlich ist der Provokative Ansatz eine wunderbare Bereicherung der NLP-Methodik. Wenn wir einige Begriffe ändern, beschreibt Farrelly die Ausgangslage bei einer Glaubenssatzarbeit mit NLP-Methodik:

(1) Ich bin so, ich handele so, ich leide so …

(2) weil

(3) ich nicht anders kann =
Weil meine Landkarte die Landschaft ist und ich die Welt richtig sehe –
und es deshalb keine Lösung für mich gibt.

(4) ich nicht anders will/ wollte =
Weil ich an der Illusionfestgehalten habe, dass die Welt so ist,
und ich deshalb keine Lösung für mich erkannt habe.

(3), also die Überzeugung, ein limitierender Glaubenssatz sei die Wahrheit, verunmöglicht Veränderung.
(4) – die Erkenntnis, dass der limitierende Glaubenssatz eine Konstruktion ist, und nicht Wahrheit, weist den Weg zur Veränderung. 

Du möchtest den Provokativen Ansatz erlernen? 

Du möchtest den Provokativen Ansatz erlernen? Unser Seminar richtet sich an erfahrene NLP’ler (mindestens Practitioner), Coaches, Trainer und Therapeutinnen, die Spaß daran haben, einen ungewöhnlichen Ansatz in ihre Praxis zu integrieren.

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