Mit unserem „IPO-Modell“ können wir auch brisante Inhalte ansprechen und Konfliktgespräche in eine positive Richtung lenken. Die Methode: Während der Formulierung einer Kritik schauen wir nicht auf unser Gegenüber, sondern auf einen „Objektpunkt“. Dies stellen wir am Beispiel Schule vor – doch interessant ist der folgende Text für alle, die anderen Feedback geben.
Inspiriert hat uns ein Seminar mit Michael Grinder (Foto), einem renommierten NLP-Trainern aus den USA. Besonders interessant sind seine Arbeiten zur Beziehungsbildung, Gruppendynamik und zum Konfliktmanagement. Im Mai kommt er nach Deutschland: Er ist der Trainer bei den „Future Tools“ des Deutschen Verbandes für Neurolinguistisches Programmieren (DVNLP).
Besonders beeindruckt hat uns sein Modell der Zweipunkt- oder Dreipunkt-Kommunikation.
Wenn zwei Menschen einander in der Kommunikation anschauen, nennt Michael dies Zwei-Punkt-Kommunikation. Wenn einer von beiden beim Sprechen auf ein Blatt Papier oder eine Tafel oder auf seine ausgestreckte Hand schaut, so hat die Kommunikation drei Punkte: Ich, Du und ein wie auch immer definiertes Objekt. Michael schlägt vor, diese dritte Ebene besonders bei Konfliktgesprächen zu nutzen.
Beispiel: Ein Lehrer sagt in einem Elterngespräch:
„Ich muss mit Ihnen über ihre Tochter reden …“ (2-Punkt-Kommunikation).
Seine Worte und seine nonverbale Kommunikation sind geeignet, die Eltern in einen Problemzustand zu führen – statt in einen ressourcevollen Zustand, der die Suche nach Lösungen erleichtert. Zudem besteht bei dieser Art der Kommunikation die Gefahr, dass die Eltern den Lehrer mit dem Problem „assoziieren“, also den Überbringer der schlechten Botschaft als Verursacher derselben verwechseln (Abbildung 1).
Wie elegant hingegen ist diese Strategie eines Lehrers, der sich in der Kunst des guten Rapports versteht:
Blick zu den Eltern: „Ich habe sie hergebeten …“
Blick wendet sich in Richtung auf das auf dem Tisch liegende Klassenbuch: … „um mit ihnen …“
Blick ruht auf dem Klassenbuch, Hand zeigt darauf: „… über Lisas Zensuren zu sprechen, und wie wir ihr Kind unterstützen können.“ (Abbildung 2).
Dieser Lehrer beginnt das Gespräch mit Rapport-Aufbau und einer Information (Ich habe Sie hergebeten, um mit Ihnen = 2-Punkt-Kommunikation). In Abbildung 2 lenkt er die Aufmerksamkeit der Eltern auf das vor ihm liegende Heft und wechselt dabei in die 3-Punkt (Bild 3). Nun reden die Gesprächspartner über einen Sachverhalt, nämlich Lisas Zensuren und können dabei dissoziiert bleiben. Die Eltern werden mit großer Wahrscheinlichkeit Zugang zu ihren Lösungsressourcen finden, statt sich angegriffen zu fühlen.
Wir haben Michael Grinders Idee für unsere deutschen Leser weiter entwickelt zum „IPO-Modell der Kommunikation“. Eine kleine Leseprobe aus unserem „NLP-Praxisbuch für Lehrer“ (Kapitel 5.2: Gesten im Schulalltag gezielt einsetzen: Das IPO-Modell“, Seite 108 ff):
„Entscheidend für den Verlauf eines von Ihnen gestalteten Kommunikationsprozesses ist Ihr Fokus: Worauf konzentrieren Sie sich besonders? Auf sich selbst, den Inhalt Ihrer Worte oder auf den Empfänger, den Schüler? Stellen Sie sich bitte ein gleichseitiges Dreieck vor mit den Punkten
- I – für „ich“, in diesem Fall der Lehrer,
- P – für „Partner“, in diesem Fall die Schüler, und
- O – für „Objekt“, wenn das Thema, der Inhalt Ihrer Kommunikation, brisant sind und die Beziehung stören könnte.
Das IPO-Modell
Kommunikation mit Ich-Fokus (I): Nehmen wir an, der Lehrer ist ganz bei sich. Er konzentriert sich zwar darauf, seinen Inhalt richtig wiederzugeben. Doch damit ihm das gelingt, muss er sich innerlich stark konzentrieren, in sein Lehrbuch oder sein Manuskript schauen, und möglicherweise nutzt er seine Beamerpräsentation oder sein Tafelbild als Manuskript. Erkennbar ist dies in der Regel durch einen gesenkten oder einen von den Schülern abgewandten Blick. Diese Situation beobachten wir oft bei Frontalunterricht, bei Vorlesungen an der Universität oder wenn Business-Trainer ihre Folien vorlesen: Handelt es sich um eine rapportfreie Veranstaltung, verlieren die Teilnehmer schnell das Interesse. Für Schüler ist das die blanke Langeweile.
Doch ein Vortrag im I-Fokus ist nicht zwingend langweilig. Er kann sogar sehr ansprechend wirken, wenn der Redner den Inhalt seines Vortrages und die Beziehung zu seinen Zuhörern gleichwertig berücksichtigt. Spannung bringt er hinein, wenn er dabei mit Leidenschaft spricht und seine Rede durch nonverbale Signale unterstützt. Kommunikation mit Partner-Fokus (P): Dabei tritt der Lehrer in direkten Kontakt zum Schüler. Das erfolgt durch Rapport im Unterricht, in Diskussionen, Beratungen, bei Übungen. Blickkontakt und körperliche Nähe können diesen Rapport vertiefen und intensivieren.
Über die P-Kommunikation stellen Sie am schnellsten und nachhaltigsten Rapport im Klassenzimmer her – und damit eine lernfreudige Atmosphäre. Das bedeutet natürlich, dass der Lehrer seine Inhalte sicher beherrschen, flexibel und in einem guten emotionalen Zustand sein muss, damit ihm nicht das passiert, was wir bei der Kommunikation im I-Fokus beschrieben haben: Nach innen gekehrt sein und Unterrichten ohne Kontakt zum Schüler.
Doch der Blick ins Innere ist nicht grundsätzlich von Nachteil. Ideal für einen Lehrer oder jeden, der mit seinen Worten viele Menschen erreichen will, ist folgende Methode des Selbstmanagements: Sobald Sie vor die Klasse treten, gehen Sie bewusst in einen, wie wir es im NLP nennen, „Up-Time“-Zustand: Dabei ist Ihre Aufmerksamkeit nach außen, auf die Umwelt, auf Ihre Schüler gerichtet. Ihr Innenleben, der innere Dialog, Ihre Gedanken an das Vorher und das Nachher sind ausgeschaltet. Up Time ist Bedingung für genaues Wahrnehmen und Rapport. Zeitweise und nur kurz konzentrieren Sie Ihre Aufmerksamkeit nach Innen („Down Time“). Dabei kontrollieren und ggf. korrigieren Sie Ihren Zustand und gehen dann sofort wieder Up Time. Die richtigen Gelegenheiten dafür sind kurze Pausen, die sich zwischendurch immer mal wieder ergeben, z. B. während ein Schüler spricht oder wenn Lernmaterialien hervorgeholt werden. Die Kunst dabei ist der strategisch-bewusste Zustandswechsel. Nicht oder nur bedingt geeignet ist die P-Kommunikation bei brisanten Inhalten, Problemen, Feedback zu mangelhaften Leistungen oder destruktivem Verhalten.
Hier ist die dritte Ecke unseres Dreiecks angebracht:
Kommunikation mit Objekt-Fokus (O): Der Inhalt der Kommunikation spielt selbstverständlich immer mit, egal ob im I- oder im P-Fokus. Doch mitunter müssen wir über Inhalte sprechen, die wir im wahrsten Sinne des Wortes auf einen dritten Punkt verlagern sollten, auf den O-Fokus. Diesen empfehlen wir für Konfliktsituationen.
Das Prinzip dahinter folgt einer weiteren NLP-Grundannahme: Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht. Trenne daher das Verhalten (das kritikwürdig sein kann) von der Person (die in Ordnung ist). Doch Schülern fällt es oft schwer, zu glauben, dass sich eine Lehrer-Kritik ausschließlich auf ein spezifisches Verhalten bezieht, und nicht global auf ihre Person. Daran sind Eltern oder Lehrer nicht ganz unschuldig, die zum Beispiel formulieren: „Du bist faul“ oder „Du bist frech.“ „Bist“ ist eine Konjugation von „sein“ und damit ein Angriff auf die Identität. Der O-Fokus hilft Ihnen, Verhalten von Person deutlich zu trennen, die gute Beziehung aufrechtzuerhalten und gleichwohl offen Ihr Feedback anzubringen. Hierfür einige Beispiele:
Störung: Mehrere Schüler stören den Unterricht. Da nehmen Sie eine Karte zur Hand und schreiben darauf, was Sie stört. Sie nehmen die Karte mit auf den „Jetzt wird’s- ernst“-Raumanker (Seite 53). Dort pinnen Sie sie an die Wand oder halten sie mit dem ausgestreckten Arm weit von sich, zeigen mit dem Finger der anderen Hand darauf und sagen: „Darüber möchte ich jetzt mit euch sprechen!“ (auditive Markierung auf „darüber“). Sie sagen also nicht „Ihr stört“, „Ihr seid …“ oder Ähnliches, sondern Sie wollen mit den Schülern sprechen, und zwar „darüber“. Damit ermöglichen Sie ihnen eine mentale Draufsicht, eine dissoziierte Reflexion des Geschehenen. nie verzichten so auf jeden Angriff, senden keine Aggression und setzen sich auch keiner aus. Sondern geben im besten Sinne ein Feedback.
Streitschlichtung: Zwei Schüler streiten sich auf dem Schulhof. Mit vorgebeugtem Körper und zorniger Mimik bedrohen sie einander nonverbal, schimpfen laut, ballen die Fäuste. Um sich Gehör zu verschaffen, pacen Sie die beiden Schüler, indem sie deren Lautstärke zunächst ein wenig übertönen. Dann sorgen Sie mit einer deutlichen Handbewegung, zur Not auch durch direkte Berührung dafür, dass sich beide auf mindestens zwei Meter Abstand voneinander entfernen. Zeigen Sie mit der flachen Hand, Handfläche nach oben, zunächst auf den einen, dann auf den anderen Schüler und sagen dabei: „Du bist wütend, und du bist wütend.“ Hand zwischen beiden hin und her bewegen: „Wenn ich nicht gekommen wäre, hättet ihr vielleicht gleich zugeschlagen, oder? Ihr habt so richtig Streit.“ Bei dem Wort „Streit“ wendet sich Ihre Hand von den Schülern weg auf einen dritten Punkt: „Und über diesen Streit reden wir jetzt. Worum geht’s?“ Damit haben Sie das Gesprächsklima in den O-Fokus gelenkt. Es besteht eine gute Chance, dass die bis dahin voll und ganz ins Geschehen assoziierten Kontrahenten nun dissoziiert darüber reflektieren können, was sie so in Rage gebracht hat.
Elterngespräch: Lisa hat im letzten Vierteljahr viele schlechte Noten bekommen. Die 13-Jährige wirkt auf Sie verschlossen und demotiviert. Deshalb haben Sie die Eltern zu einem Gespräch gebeten. Im Rahmen der P-Kommunikation (Blickkontakt, Austausch von Freundlichkeiten) bauen Sie Rapport auf. Nach einer Weile legen Sie das Notenheft oder eine Notiz mit Lisas Noten eine knappe Armlänge von sich und den Eltern entfernt auf den Tisch. Während Sie darauf zeigen, sagen Sie: „Ich habe Sie hergebeten, um mit Ihnen über Lisas Zensuren zu sprechen, und wie wir Ihr Kind eventuell unterstützen können.“ (siehe Karikaturen weiter oben).
Warum plädieren wir für diese nonverbale Strategie?
Wir Menschen sind es gewohnt, einander im Gespräch anzuschauen. Zum Aufbau von Rapport, zum Austausch von Freundlichkeiten und sachlicher Themen ist das von Vorteil. Wenn Sie jedoch eine Information übermitteln wollen, die überhaupt nicht positiv ist, geraten Sie mit der P-Kommunikation mitunter in eine heikle Situation: Sie als Person werden unter Umständen mit dem Problem assoziiert. Es ist die alte Geschichte vom Überbringer der schlechten Nachrichten: In der Bibel, im zweiten Buch Samuel, lässt der spätere König David den Boten erschlagen, der ihm die Nachricht vom Tod König Sauls in der Schlacht am Berg Gilboa überbracht hatte. In vielen weiteren jahrhundertealten Mythen und Erzählungen, die bis in die Zeit der griechischen Antike zurückreichen, finden sich weitere Beispiele für dieses Phänomen. Damit verglichen geht es Ihnen ja noch gut: Niemand wird Sie gleich erschlagen.
Doch das Prinzip bleibt: Viele Menschen identifizieren schlechte Nachrichten mit dem Überbringer derselben, werden wütend und bestrafen den, den sie als erstes erreichen. Im O-Fokus halten Sie sich aus der Schusslinie und werden nicht mit dem Inhalt einer prekären Nachricht verwechselt.
Fassen wir unser „IPO-Modell“ der nonverbalen Kommunikation zusammen:
- Im I-Fokus steht die Person, die anderen etwas mitteilen will, im Vordergrund („Ich“). Für Vorträge, Referate, Informationsvermittlung, Ich-Botschaften ist das der geeignete Fokus.
- Bei einem interessanten Inhalt, der im P-Fokus dargeboten wird, steht die Beziehung zu den Kommunikationspartnern im Vordergrund, der Austausch von Wissen und Meinungen.
- Im O-Fokus richtet sich die Aufmerksamkeit auf einen „Objektpunkt“. Die Konzentration hierauf hilft den Gesprächspartnern dabei, sich zu dissoziieren und ein heikles Thema analytisch zu besprechen.
Petra Dannemeyer & Ralf Dannemeyer
Das NLP-Praxisbuch für Lehrer, Junfermann, 2015
Dazu erschienen:
NLP-Übungsheft für Lehrer
Erhältlich im guten Buchhandel oder direkt bei uns hier: http://www.nlp-perspektiven.de/literatur-aus-unserem-institut/
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